Schach wird vielfach als ein schwieriges Spiel erachtet, welches nur Superhirne verstehen können. Doch das königliche Spiel eignet sich für jeden ab 5 Jahre! Gerade Kinder lernen spielend und üben dabei noch viele Grundfertigkeiten, die ihnen im Kindergarten- und Schulalltag helfen. Aber auch Erwachsene profitieren durch systematisches Schachtraining und erwerben Fähigkeiten, die sich im Berufs- und Privatleben auszahlen.
Wie Schach-Lernen mit einfachen Schritten funktioniert, zeigt eine kleine Nachbetrachtung aus der Praxis der Schachschule SCHACH KULTUR BERLIN.
Anfang September 2011 gab es beim Kiez-Fest des Soldiner Kiezes auch eine Familien-Rallye, die mehrere Stände besuchte und dort für richtige Antworten Punkte einheimsen konnte. Die lokale Schachschule SCHACH KULTUR BERLIN wählte hierzu eine sehr einfache Aufgabe aus. Es musste in einem Zug Matt gesetzt werden! D.h. Weiß findet den Zug, nach welchem Schwarz im Schach steht, aber sein König keine Möglichkeit hat, sich in Sicherheit zu bringen. Er ist Matt! Alle Löse-Teams schickten Grundschüler vorbei; einige hatten im Schuljahr 2010-11 einen der 6 AG-Kurse an den 3 Grundschulen besucht, andere besaßen mehr oder weniger wage Ideen, um was es beim Schach geht. Die Aufgabe wurde mit Bedacht als ein typisches Schach-Muster ausgewählt, welches ein absolutes Basiselement im taktischen Wissen eines Schachspielers ist.
Ein geübter Spieler wird dieses Motiv sekundenschnell erkennen, denn er hat es in seiner Praxis bereits oft angewendet. Es ist tief in seinen Wissensspeicher eingedrungen und dieser Erfahrungsschatz stellt seine Schach-Intuition dar. Zeichnen sich durch die Figurenkonstellationen erste Konturen dieses Schachmusters ab, so fahndet er danach, ob sich das ihm bekannte Schachmuster erfolgreich verwirklichen lässt. Beim Lernen eines Schach-Musters weiß man immer, dass es definitiv diese eine Lösung gibt, aber in komplexeren Situationen, bei denen meist mehr Figuren auf dem Brett stehen, sind natürlich auch die Aktionen des Gegners zu berücksichtigen. Oft ist es die Frage, wer seine Gewinnidee schneller umsetzen kann.
Schauen wir uns an, was am ersten Septembersamstag 2011 einer Gruppe passierte. Zwei Mädchen, die zuvor bereits kurz mit einer Partie am Schachstand die Figuren schoben, kehrten mit dem Rallye-Zettel zurück und bekamen diese Stellung aufgebaut.
Matt in einem Zug
Was muss gefunden werden? Ganz einfach, eine der beiden weißen Figuren, der Turm oder der Springer werden mattsetzen. Ein König kann einen anderen König nie mattsetzen, da sich die beiden Monarchen nie auf einem benachbarten Feld gegenüberstehen dürfen.
Wer die Lösung sucht, muss also schauen, wo ein Schach gegeben werden kann, so dass es im nächsten Zug eine Mattsitutation ergibt. Da der Springer im nächsten Zug kein Schach geben kann, bleibt nach dem Aussschlussprinzip nur der Turm übrig. Dieser kann auf dem Feld b8 und dem Feld h7 ein Schach bieten. Betritt er das Feld b8, so hat er das Feld g7 nicht mehr „unter Kontrolle“. Der schwarze König kann hier also einen Fluchtweg finden und ist nicht im nächsten Zug Matt!
Bleibt also das Schachbieten mit dem Turm auf h7. Und siehe da, der schwarze König ist Matt. Das Fluchtfeld g8 geht nicht, denn das kontrolliert der Springer auf f6. Und den weißen Turm kann er auch nicht schlagen, denn dieser ist vom Springer gedeckt. Gedeckt ist eine Figur, wenn sie die „Unterstützung“ durch eine andere eigene Figur hat. Würde mein Gegner meine Figur nehmen, dann schlage ich seine Figur. Und dann ist immer die Frage, wer die Figur bekommt, die mehr wert ist. Eine Dame ist, da sie viel mehr Felder erreichen kann, beispielsweise mehr wert als ein Turm.
Aber schauen wir auf unser Beispiel: der Turm zieht nach h7 und kann nicht vom König geschlagen werden. Denn ein König darf nie eine gedeckte Figur schlagen, denn er darf nicht in eine Situation kommen, in der er theoretische geschlagen werden könnte. Der König ist unersetzlich! Hat er jedoch – wie in unserem Beispiel keine Feld mehr, auf dem er nicht von einer gegnerischen Figur geschlagen werden kann, dann ist das ein Matt!
Es musste also erkannt werden, wie Springer und Turm gemeinsam den König jedes Fluchtfeld nehmen. In einem Diagramm abgebildet sieht das so aus.
Doch in einer Schachpartie sind mehr Figuren auf dem Brett. Dieses Schach-Muster muss also aus dem Gesamtzusammenhang herausgefiltert werden. Man kann es so vergleichen: das Muster ist der Buchstabe und mit Buchstaben bilden wir ein Wort und Wörter ergeben Sätze und dann können wir eine Geschichte erzählen. Schauen wir also auf das gleiche Schach-Muster, aber diesmal mit einer anderen Ausgangsstellung.
Wenden wir das eben gesehene Muster auf die im Diagramm abgebildete Situation an. Man beachte, dass der König auf g7 diesmal nicht am Rand steht. So hat der König mehr Möglichkeiten, denn er darf – falls es nicht von einer gegnerischen Figur bedroht ist - jedes Feld in seiner unmittelbaren Nachbarschaft betreten darf.
Lassen wir die Augen kreisen: auf f6 kann er den Springer nicht schlagen nicht, denn dieser Springer ist von dem Bauern auf g5 gedeckt. Auf g6 und f7 stehen ihm seine eigenen Bauern im Weg. Nach h6 führt auch kein Weg, denn da würde ihn der Bauer von g5 bedrohen, denn Bauern dürfen ja nur schräg zur Seite schlagen. Das Feld h7 kontrolliert der Springer von f6 aus. Auch nichts zu machen. Und alle Felder auf der 8. Reihe, also f8, g8 und h8 werden vom Turm auf b8 kontrolliert. Aber alles nicht so schlimm.
Der schwarze König ist ja nicht im Schach. Wäre er jetzt am Zug, so wäre es ein Patt. Der König würde die Partie retten, denn der Punkt, den es sonst für einen Sieg gibt, wird geteilt. Patt bedeutet, dass man nicht in der Lage ist, etwas zu unternehmen. Aber hier ist Weiß am Zug und der findet den richtigen Zug, wenn ihm das Schach-Muster des vorherigen Beispiels haften geblieben ist. Also Turm von b8 nach g8 gestellt … der König bekommt ein Schach geboten und er kann nicht ausweichen. Kurzum: Matt!
Gehen wir einen Schritt weiter und schauen auf das nächste Diagramm.
Hier kann Weiß nicht einfach einen Zug machen und die Sache ist schon vorbei. Aber da er am Zug ist, kann er forciert gewinnen. Ziehen wir mit dem Turm von e1 nach e8. Der schwarze König kann den Turm nicht schlagen, denn erneut schützt ihn der Springer auf f6. Also bleibt nur die Flucht nach g7. Und dann ist es einfach.
Wir kennen das Schach-Muster der vorherigen Stellung. Also Schach bieten mit dem Turm auf g8 und es ist Matt. Der König kann nicht mehr fliehen und auch wenn Schwarz nun weitere Figuren auf dem Brett hat, so sind sie einfach zu schlecht platziert und können nicht eingreifen.
Bisher war alles ziemlich einfach, denn es ging forciert zu. Forciert bedeutet beim Schach, dass man einen Zug macht und der Gegner ist gezwungen, in einer bestimmten Art zu antworten. So etwas ist natürlich toll. Meinem Gegner bleibt immer nur eine Möglichkeit, und die kann ich leicht berechnen. Lernen wir Schach-Muster, wird das meist so sein. Erst später, wenn wir viele Schach-Muster kennen, wird es komplizierter. Nämlich genau dann, wenn mein Gegner zwei, drei, vier oder noch mehr Züge als Antwort hat.
Nun zum Abschluss das uns bekannte Motiv in einer komplexeren Stellung. Weiß ist am Zug. Würde Schwarz am Zug sein, dann würde die Dame auf d4 einfach den Turm auf f2 schlagen und Weiß wäre Matt. Die Situation steht also Spitz auf Knopf! Was kann Weiß machen? Sind wir geübt, so kommt uns eine Idee, was uns den Sieg bringen kann. Wie gelingt das Matt?
O.k. diesmal steht auf dem Feld f7 kein schwarzer Bauer, sondern ein schwarzer Springer und auf h7 steht ein schwarzer Bauer. Aber das ändert nichts, denn der schwarze König kann dadurch ohnehin nicht dort hin. Alles wie zuvor. Aber da sind Figuren, die stören. Wäre ich Weiß, so würde ich mir wünschen, dass die weiße Dame auf e7 und der schwarze Turm auf f8 nicht da wären und der schwarze König auf f8 stehen würde. Dann wäre alles kein Problem. Der Turm würde von e1 über das Feld e8 nach g8 gelangen. Was tun? Die Lösung ist ein Damenopfer. Schauen Sie gut hin.
Eigentlich möchte ich die Dame, die stärkste Figur auf dem Brett, nie gegen eine Figur tauschen, die weniger Wert ist. Aber hier opfert sich die Dame, um dadurch den Weg für die anderen Figuren frei zu räumen. Ja, wir kennen das Schach-Muster und haben es intuitiv aus unserem Erfahrungsschatz ausgegraben.
Also die Dame auf e7 schlägt den Turm auf f8 und bietet ein Schach. Der König kann nicht ausweichen und muss die Dame nehmen. Nun ist wieder Weiß dran: der Turm von e1 zieht den langen Weg nach e8. Der König kann ihn nicht schlagen und weicht auf das einzig verfügbare Feld nach g7 aus und dann ist der Sieg nahe. Der Turm zieht von e8 nach g8 und schon ist unser Schach-Muster vorhanden … aus, Schluss, Sieg.
Natürlich gelten die folgenden Aussagen für jeden Schachlernenden, doch für Grundschüler und sogar Kindergartenkinder im Jahr vor der Einschulung besonders:
Schach bewirkt in vielfältiger Weise, diese Grundfähigkeiten des Lernens und des Lebens auf spielerische Weise auszuprägen und zu optimieren.
Und nun sehen wir uns an, wie das elementare Schach-Motiv des ersten Diagramms durch viele Kinder-Köpfe und Kinder-Hände gefunden wurde.
Bilder sagen oft mehr als Worte … Alle Fotos aufgenommen von Harald Fietz.
So, das ist die Aufgabe mit Matt in einem Zug!
Oh, welche Figur nehme ich bloß!
Hast Du eine Ahnung?
Und da ist noch mehr Hilfe!
Mensch, wie geht das bloß?
So oder so?
Nein, hier ist richtig!
Alles verstanden?
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